Freitag, 30. Juli 2010

Schule und Wind

Dunhuang, Provinz Gansu, Km Stand 8156
Den Blog zu Turpan gab es wegen chin. Internetzensur erst verspaetet:
Fuer meinen Blog benutze ich blogspot.com, einen freien Service von Google. Da dies auch viele Chinesen taten, um ihre Meinung zu aeussern, hat die chin. Regierung kurzer hand die ganze Seite fuer China gesperrt. Ich musste mir erst ein Programm besorgen, das diese Zensur umgeht.

Von Turpan gings in 3 Tagen nach Hami. Dazwischen lagen einige hoehere Berge, bzw die Strasse ging am ersten Tag bis auf 500m und am zweiten bis auf 1600m hinauf. Am dritten durfte ich dann die Fruechte geniessen, denn da rollte es wieder hinab nach Hami auf ca 700m. Die Autobahn ist meist so trassiert, dass die Steigungen sehr moderat sind, so kann man es schoen rollen lassen. Nach einer langen Durststrecke am zweiten Tag, hat es am dritten alle 30-40 Kilometer kleine Ortschaften und ich kann wieder Kuehltruhen pluendern. Stelle fest, dass es sehr heiss ist, was ich daran merke, dass mir pro Stop ein halber Liter Getraenk nicht reicht. Spaeter gibts noch ne grosse Honig-Melone, die hier Hami-Melonen heissen.

Fahre meist auf der noch gesperrten Autobahn. Gesperrt ist relativ:
Die bisherige Strasse ist eine breite, gutausgebaute zweispurige Strasse mit Seitenstreifen. In einigem Abstand dazu, oft wenige Meter, manchmal auch einige Kilometer, wurde eine neue zweispurige Strasse mit Seitenstreifen gebaut. In Summe also eine vierspurige Autobahn. Die neue Strasse ist an den meisten Stellen schon fertig, einige Kleinigkeiten fehlen noch, und ist aber eigentlich noch fuer den Verkehr gesperrt. Durch Erdhaufen wird man daran gehindert auf die neue Strasse zu fahren, doch an den meisten Stellen gibt es Wege um oder ueber diese Erdhaufen, die auch viele Autofahrer benutzen. So rollt nun auf beiden Strassen der Verkehr in beide Richtungen (welchen Sinn das hat?). Die neue Strasse ist allerdings weniger frequentiert und hat meist einen noch sauberen Seitenstreifen, was es fuer mich angenehmer macht.

In Hami frage ich erst vergeblich nach einem Hotel, ich rede englisch, die Leute chinesisch und keiner versteht den anderen. Schliesslich bietet sich ein junger Mann an zu helfen. Mittels seiner Freundin, die Englischlehrerin ist und die er per Mobiltelefon anruft, klaeren wir, was ich will. Er faehrt mit dem Auto voraus und fuehrt mich zu einem grossen Vier-Sterne-Hotel, mit mehreren Gebaeuen in einer grossen Anlage. Der Preis mit 148 Y (ca 18 Euro) fuer das Zimer ist moderat. Das Zimmer ist zwar hoechstens 2 Sterne wuerdig, der Rest des Hotels aber sehr repraesentativ.

Fuer die Hilfe bei der Hotelsuche erklaere ich mich bereit, den Schuelern seiner Freundin fuer eine Englischstunde zur Verfuegung zu stehen. Nach Check-in und einer Dusche, die mich nach 3 Tagen Wueste und rustikaler Uebernachtung im Hof oder unter dem neugebauten Dach von Mautstationen, wieder ansehnlicher macht, holen Sie mich am Hotel mit dem Auto ab und wir fahren in einen Wohnblock (aehnlich Plattenbauten) in der Innenstadt. In einer der Wohnungen gibt es ein Nachhilfe-Institut fuer Englisch, in dem die Schueler nun in den Ferien spezielle Foerderkurse besuchen. Heute sind sie extra wegen mir laenger da geblieben. Bald stehe ich in einem kleinen Klassenzimmer etwa 15-20 13jaehrigen gegenueber sowie einigen Lehrerinnen (ca 23 Jahre). Ich erzaehle von mir und meiner Reise und beantwortet ihre Fragen. Wieviel sie allerdings davon verstanden haben weiss ich nicht, ihre Englischkenntnisse schienen sehr gering. Die Lehrerin hat nach einigen Saetzen von mir immer eine kurze Zusammenfassung auf chinesisch gemacht. Nur einer konnte auf Englisch fragen, die anderen Fragen wurden mir von der Lehrerin uebersetzt. So nebenbei wurde es natuerlich auch noch eine Geografie-Stunde.
Westliche Auslaender sind in China immer noch etwas besonderes und ausserhalb der ganz grossen Staedte (Peking, Shanghai) selten. Deshalb waren die Schueler sehr gespannt auf mich.
Im Anschluss an die Schulstunde wurde ich dann zum Abendessen eingeladen.

Die Abfahrt von Hami begann sehr spaet, ging dann aber zuegig voran. Am Abend drehte der Wind ploetzlich von leichtem Rueckenwind in starken Gegenwind. Inzwischen hatte die bewohnte Gegend aufgehoert und der Wind pfiff ungehindert von Baeumen oder Haeusern ueber die flache Wueste. Ich kaempfte mich noch bis zu einer Baustelle und versorgte mich dort mit Getraenken. Das naechste Stueck sollte laut Karte laenger einsam sein. Wenige hundert Meter hinter der Baustelle bin ich wieder umgekehrt, da der Wind inzwischen so stark war. Ich beschloss dort zu uebernachten, in der Hoffnung, dass der Wind bis zum naechsten Morgen abflaut und ich dann frisch in das lange einsame Stueck gehen kann.
Nach eher unruhiger Nacht flattern die Fahnen an der Baustelle immer noch stramm im Ostwind. Frueh los, 7 Uhr, zum wohl frustrierendsten Tag der Tour. Der Wind ist so stark, dass ich mich im Stehen schon gegen den Wind lehnen muss, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Die Strasse geht gen Suedosten und der Wind kommt aus Ost, also schraeg von vorne. Um nicht umzukippen muss ich auch mit dem Rad in Schraeglage fahren. Mit den fuenf Packtaschen bietet man eine entsprechend grosse Angriffsflaeche fuer den Wind. Kommt ein Auto entgegen oder faehrt an einem vorbei, so bietet es kurz Windschatten. Bei der Schraeglage bewirkt dies eine Fallbewegung, die man dann durch eine heftige Lenkbewegung ausgleichen muss. Insgesamt fuehrt dies zu groesseren Schlangenlinien, ohne betrunken zu sein.
Nach einiger Zeit muss ich sogar auf das kleine Kettenblatt und die 1:1 Uebersetzung zurueckgreifen. Normalerweise benutze ich die nur bei 10-12% Steigung. Diesmal schon bei den ca 2-3%, die es unmerklich bergauf geht. Ich erreiche sage und schreibe nach ueber 8 Stunden Fahrt einen Schnitt von 7,8 km/h. Unterwegs kam leider gar nichts, was einen Aufmuntern konnte, kein Haus und gar nichts, nur eintoenigste Wueste. Zudem ist es noch sehr duester und faengt sogar an leicht zu regenen, dass ich lange Hose und Regenjacke anziehen muss. Der auf der Karte nach 50 km eingzeichnte Ort existierte nicht, so dass auch diese Hoffnung auf eine Moeglichkeit zum Verschnaufen, Essen und Trinken wegfiel. Nach 67 km kommt das erste Haus, das irgendwie bewohnt aussieht, eine Waegestation fuer LKW, die man ueber eine Behelfsabfahrt erreichen kann. Dort frage ich, ob ich uebernachten kann, was der Mann dort gleich bejaht. Bekomme auch etwas zu essen und kann meine stark geschrumpften Wasservorraete auffuellen.
Nun hat die Wueste mich doch noch klein gekriegt, wenn auch nicht mit Hitze, die mir nichts anhaben kann, sondern mit Wind, Regen und schlechtem Wetter.

Auch am dritten Tag laesst der Wind nicht nach. Hoere es noch im Bett draussen stuermen und bleibe deshalb entsprechend lange liegen, in der Hoffnung, dass das schlechte Wetter doch irgendwann abziehen muss. Gegen 10 Uhr schliesslich los und wieder auf die gesperrte neue Autobahn. Nach einigen Kilometern wird der Wind schwaecher. Ob das nun am abziehenden Schlechtwetter oder an den nun kommenden Bergen liegt, die den Wind vielleicht abhalten, weiss ich nicht.
Verlasse nun nach ueber 2300km die Provinz Xinjiang und komme in die Provinz Gansu.
Heute gings locker bergab von 1800 m auf 1100 m in die Oase Dunhuang, am oestlichen Rand der Wueste Gobi. Dort hat es interessante Hoehlen mit Buddha-Abbildungen, die ich morgen besichtigen will.

Die letzten Radeltage dieser Tour sind angebrochen. Werde noch ca 5-6 Tage radeln und versuchen die 9000 km voll zu machen.
Dann per Zug nach Xian (Terracottta Armee) und weiter nach Shanghai, von wo ich am 14. August zurueckfliegen werde.
Werde mich wohl am 7.oder 8. August aus Xian wieder melden.

1 Kommentar:

  1. Hallo Jürgen,
    da werden wohl jetzt einige chinesische Schüler ein Englisch mit schwäbischem Aktzent sprechen. Ich wünsche Dir weiterhin viel Spaß, wenig Wind und gutes Essen.
    Gruss
    Lothar

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